Tiroler Graukäse g.U.

Tiroler Graukäse g.U.
Foto: Werner Krug

Traditionell hergestellter Sauermilchkäse aus fettarmer Kuhmilch von Tiroler Berggebieten.

Registernummer: 4

Offenlegungsdatum

1879 erwähnte A.Trientl in „Über die sauren Käse“ die Produktion von Graukäse auf Bauernhöfen in Tirol. Graukäse wurde bereits im Mittelalter hergestellt.

Titel

Tiroler Graukäse g.U.

Kurzdarstellung oder Behauptung

Traditionell produzierter Sauerkäse aus roher oder pasteurisierter Kuhmilch, der von Tiroler Berggebieten stammt, dessen typische Flora sich auf den Geschmack des Käses auswirkt.
Tiroler Graukäse wird produziert nach der Spezifikation für die Eintragung als geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) gemäß EU Verordnung 1263/96 ABl. L 163/19/96.

Produktbezeichnung, Produktklasse

Käse, Milchprodukte

Name der Region

Tirol, Österreich

Suchgebiet

Lebensmittel und Landwirtschaft

Name des Informationsgebers

Keine Angabe

Name des Antragstellers für den Titel

Verband der Tiroler Käserei- und Molkereifachleute
Brixner Straße 1
6020 Innsbruck

Inhaber des Wissens oder zugehöriger Quellen

Milchbauern im Bundesland Tirol (Nord-/ Osttiroler Gebirgstäler)

Empfänger, Inhaber, Bevollmächtigter, Eigentümer eines Titels

Verband der Tiroler Käserei- und Molkereifachleute
Brixner Straße 1
6020 Innsbruck

Beschreibung

Geschichte:

Seit Jahrhunderten stellt die Herstellung des Tiroler Graukäse in Tirol einen wichtigen Bestandteil bäuerlicher Esskultur dar.

Sauermilchkäse, wie der Tiroler Graukäse, wurden schon im Mittelalter hergestellt. Vor allem vor Einführung der Labkäserei - etwa 1830 - wurde in Tirol vor allem Sauermilchtopfen und Sauermilchkäse erzeugt.
So schrieb W. WINKLER in seinem Artikel über die Milchwirtschaft in Österreich in der Periode von 1848 bis 1868: „Für Vorarlberg, Tirol und das angrenzende Salzburg bildete ein mit Schimmel überzogener und durchwachsener Sauermilchkäse „Grau- oder Blaukäse, Radstädter Tauernkäse" eine Spezialität und einen wichtigen Konsumartikel. Auch noch heute wird derselbe in großen Mengen erzeugt und bildet ein gesuchtes Produkt, das eine sehr gute Magermilchverwertung gibt."
Auch A. TRIENTL stellte 1879 in einem Artikel „Über die sauren Käse" fest: „Auf den Bauernhöfen wurde die Graukäserei als Verwertung der bei der Buttererzeugung anfallenden Magermilch mit einem einfachen Käsungsprozess geschätzt".

Auf den Bauernhöfen hat sich die „Graukäserei“ aus folgenden Gründen bewährt:

  • der Käsungsprozess ist sehr einfach
  • die im Rahmen der Berglandwirtschaft gewonnene Milch ist für diese Käseerzeugung hervorragend geeignet
  • die Magermilch, die bei der Butterherstellung anfällt, kann damit einer sinnvollen Verwertung zugeführt werden
  • Graukäse hat in vielen bäuerlichen Kochrezepten einen festen Platz eingenommen.

Der Graukas wurde in früheren Zeiten aus der sogenannten Restmilch gekast. Diese wurde oft tagelang gesammelt, wodurch die Kuhmilch automatisch sauer wurde. Nach dem Erhitzen wurde der Käse gesalzen, in Holzformen gepresst und zum Reifen in den Käsekeller gelegt. Aufgrund der dort herrschenden Bedingungen begann der Käseteig aufzureißen und der blaugraue Schimmel wanderte durch diese Risse von außen in das Innere des Käses. Nach diesem Schimmel erhielt der Graukas seinen Namen.

Käsereitechnologisch wurde diese Form der Milchverarbeitung historisch von der sogenannten "Fettkäserei" abgelöst.
Allerdings konnte sich eine gewisse, mengenmäßig nicht unbedeutende, Verarbeitung von Graukäse behaupten. Stellte ursprünglich der Tiroler Graukäse ein ideales Ergänzungsprodukt zur Butterei dar (Verwertung der Magermilch) kommt ihm bereits seit dem vorigen Jahrhundert der Charakter eines eigenständigen Produktes zu.

So beschreibt der Österreichische Käsecodex aus den 1930iger Jahren den Tiroler Graukäse.
Mit dem Beitritt Österreichs zur EU wurde der „Tiroler Graukäse“ zur geschützten Ursprungsbezeichnung (g.U.).

Im Jahr 1996 wurden in Tirol etwa 450.000 Kilogramm Graukäse hergestellt.

Gebiet/ Region:

Das Bundesland Tirol gliedert sich in die Teile Nordtirol und Osttirol. Nord- und Osttirol besitzen zueinander keine direkte Verbindung.

Tirol grenzt an die Bundesländer Vorarlberg, Salzburg und Kärnten sowie im Norden an Bayern (Deutschland), im Südwesten an Graubünden (Schweiz) und im Süden an Südtirol und die Provinz Belluno (Italien).
Der höchste Berg – zugleich höchster Berg Österreichs – ist mit einer Höhe von 3.798 m.ü.A. der Großglockner in Osttirol, der höchste Gipfel in Nordtirol ist die Wildspitze (3.772 m.ü.A.).

Klima:

Tirol liegt im Grenzbereich zwischen atlantischem, kontinentalem und mediterranem Einfluss, besonders vorherrschend ist das Gebirgsklima. Feuchter Sommer, trockener Herbst, schneereicher Winter und starke lokale Unterschiede kennzeichnen das Klima.
Die nördlichen Kalkalpen bestehen vor allem aus Gebirgsketten, wo es zu Staulagen und Niederschlag kommt. Die Leeseiten sind meist mild und trocken. Tirol steht unter dem Einfluss der Westwetterzone, daher ist der nördliche Alpenrand am feuchtesten und schneereichsten.
Die inneralpinen Täler haben ein vergleichsweise mildes Klima aufzuweisen.
Bedeutung auf die Temperaturen hat die mittlere Höhe von Tirol von über 500 Meter. Das Gebirge verringert die mögliche Sonneneinstrahlung in den Tälern.
Der Winter ist meist geprägt vom Wechsel zwischen schneereichen und schneearmen Witterungen. Das Frühjahr ist im Alpenraum meist sehr unbeständig und regenreich, es kann zu Kälteeinbrüchen kommen. Im Sommer fällt der meiste Regen durch Gewitter. Der Herbst zeichnet sich oft durch lange Schönwetterperioden aus. Ein besonderes Wetterereignis ist der Föhn, der am Patscherkofel bis zu 200 km/h und in Innsbruck bis zu 120 km/h erreichen kann.

Flora:

Die klimatischen Bedingungen der Tiroler Gebirgstäler führen zu einer besonders artenreichen Flora auf den Weiden, welche sich in einer speziellen aromatischen Milch wiederspiegelt.

Tiroler Graukäse g.U.:

„Tiroler Graukäse g.U.“ darf ausschließlich von befugten Erzeugern beziehungsweise Verarbeitern und im Rahmen der bäuerlichen Milchverarbeitung im österreichischen Bundesland Tirol (Nordtirol/Osttirol) hergestellt werden.

Milch für Tiroler Graukäse wird aus Tiroler Alpmilch oder Tiroler Talmilch aus Rinderhaltung mit silofreier Fütterung gewonnen. Es handelt sich um einen durch Milchsäuerung ohne Labzusatz hergestellten Sauermilchkäse.

Tiroler Graukäse ist ein typisches Produkt der Tiroler Alpentäler.

Es·gelten die Spezifikationen des Codex Alimentarius Austriacus III. Auflage, Kapitel В 32 Absatz 3 „Milch- und Milchprodukte, Abschnitt Sauermilchkäse".

Herstellung:

Die Herstellung erfolgt gemäß der für Tiroler Graukäse g.U. festgelegten Spezifikation.
Rohe oder pasteurisierte Magermilch wird durch Säuerungskulturen (meist Säurewecker) zu Sauermilchtopfen verarbeitet. Nach Zusatz von Salz und Pfeffer wird der Topfen in Formen gepresst.

Es handelt sich bei der Herstellung von Tiroler Graukäse um ein auf den Tiroler Raum eingeschränktes traditionelles, handwerkliches Verfahren, das auf bäuerlichen Betrieben und in kleineren Sennereien bereits seit Jahrhunderten angewendet wird.

Herstellungsvorgang:

  • die vorbereitete Kesselmilch wird durch Zugabe von 2 bis 3 Säurewecker bei 20 bis 25 Grad Celsius dickgelegt,
  • unter langsamen Rühren folgt ein Nachwärmen auf 50 Grad Celsius,
  • der „Brennvorgang“ erfolgt bei 50 bis 55 Grad Celsius,
  • nach Zugabe von Gewürzen wird der Sauermilchtopfen bei Zimmertemperatur gepresst,
  • die Reifezeit dauert circa 10 bis 21 Tage wobei der Reiferaum eine Temperatur von 18 bis 20 Grad Ceslius sowie eine relative Luftfeuchtigkeit von 60 bis 80 Prozent aufweist.

Reifung:

Die Reifungsgeschwindigkeit hängt vor allem vom Gefüge des Käses ab. Je kompakter der Käse ist, umso langsamer beziehungsweise je lockerer umso schneller verläuft die Reifung.
Der Käse reift circa 10 bis 20 Tage bei etwa 18 - 20 Grad Celsius.
Die Reifung erfolgt unter dem Einfluss von Hefen, Milchschimmel und grauen Schimmelstämmen (Oberflächenreifung von außen nach innen).

Geschmack und Aussehen:

Der Graukäse weist im jüngeren Stadium meist eine krümelige Struktur, sowie einen topfigen Kern auf, im reifen Zustand ist er speckig mit einzelnen, nicht durchgereiften Topfenstückchen.
Der Graukäse kann gebietsweise auch von außen nach innen mit grau- bis graugrünem Schimmel durchädert sein oder mit weißem Kern. Der Teig ist in der Randzone meistens etwas trocken, im reifen Zustand nach innen gelb-speckig.

Tiroler Graukäse wird in Laib- und Stangenform von 1 bis 4 Kilogramm hergestellt.

Tiroler Graukäse besitzt eine dünne, bläulich-graue bis grün-graue Rinde mit leichten landkartenartigen Rissen.

Der Tiroler Graukäse hat einen mild säuerlichen Geschmack, solange der Kern noch topfig ist. Je reifer er wird, umso geschmeidiger und saftiger ist sein Teig und umso pikant-würziger bis scharf sein Geschmack:
Höchstwassergehalt 65 Prozent
Fettgehalt in Trockenmasse (F.i.T.) mager - unter 5 Prozent

Graukäse zeigt in Tirol eine regionsspezifische Ausprägung:
im Oberinntal speckig, gut durchgereift,
im Unterinntal topfig, nur sehr langsam reifend.

Ernährung:

Sauermilchkäse eignet sich hervorragend für die fettarme, körperbewusste Ernährung, da er sehr fettarm ist.

An der Bundesanstalt Rotholz wurde 1990/91 von AGNES PFAHL erstmalig eine wissenschaftliche Untersuchung über Tiroler Graukäse durchgeführt. Die 30 aus Käsereien stammenden Graukäse hatten folgende mittlere Zusammensetzung:
Trockenmasse 36,5 Prozent
Wassergehalt 63,5 Prozent
Fett in der Trockenmasse (F.i.T.) 1,6 Prozent
Calcium 0,8 bis 1,6 Gramm/Kilogramm
Kochsalz 2 bis 3 Prozent
Calcium ist auf Grund der Säuregerinnung im Graukäse nur mehr in Spuren vorhanden. Die Menge beträgt nur etwa ein Zehntel des Gehaltes von Labkäse. Graukäse trägt daher nur sehr wenig zur Calcium-Versorgung bei.

Qualitätskontrolle und Qualitätskennzeichnung:

Tiroler Graukäse g.U. wird unter Einhaltung strenger Hygieneanforderungen (Milchhygieneverordnung beziehungsweise Lebensmittelhygieneverordnung) sowie unter Einhaltung des HACCP-Systems (Hazard Analysis Critical Control Point, auf Deutsch: Risiko-Analyse Kritischer Kontroll-Punkte) hergestellt.

Tiroler Graukäse g.U. wird unter dem Gütesiegel "Qualität Tirol" vermarktet, das von der Agrarmarketing Tirol gehalten wird. Das Gütesiegel steht für nachhaltige Landwirtschaft und kleinbäuerliche Erzeugung sowie für hochqualitative Produkte mit hervorragendem Geschmack und erlesenem Aroma. Darüber hinaus gewährleistet das Gütesiegel, dass das Produkt aus Tirol stammt und in Tirol verarbeitet wird.

Die geschützte geographische Angabe „Tiroler Graukäse g.U.“ darf in keine andere Sprache übersetzt werden. Sie muss auf der Etikette in leserlichen und unauslöschbaren Buchstaben angebracht werden und sich eindeutig von jeder anderen Aufschrift abheben.
Die Bezeichnung 'geschützte Ursprungsbezeichnung' und/oder die Kurzform „g.U.“, welche in der Verkehrssprache des Produktes anzugeben ist, muss unmittelbar darauf folgen.
Die Anbringung von nicht ausdrücklich vorgesehenen zusätzlichen Angaben ist untersagt. Die Verwendung von Namen, Firmenbezeichnungen oder Eigenmarken ist hingegen gestattet, wenn diese den Erwerber nicht täuschen.

Vermarktung:

Tiroler Graukäse g.U. darf lose, vakuumverpackt oder in kontrollierter Atmosphäre abgepackt als ganzes Stück, geteilt oder aufgeschnitten verkauft werden.
Abpackung, Aufschnitt und Portionierung dürfen ausschließlich im Bundesland Tirol erfolgen.

Zusammenhang mit dem geografischen Gebiet und Traditionellem Wissen:

Die zur Herstellung des Tiroler Graukäses g.U. verwendete Milch weist auf Grund der alpinen, besonders reichhaltigen und würzigen Flora der Bergweiden besondere Geschmackskomponenten auf, die im Zusammenwirken mit der traditionell handwerklichen Herstellungsweise dem Käse seine charakteristischen Eigenschaften verleihen.

Traditionelles Wissen der bäuerlichen Produzenten um die Sauermilchkäserei und die Verwertung von Graukäse.

Die Käseproduktion leistet einen essentiellen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Tiroler Berglandwirtschaft und ist für die ökologische Vielfalt und Stabilität der alpinen Kulturlandschaft unverzichtbar.

Verwertung:

Klassisch isst man den Tiroler Graukäse g.U. mit etwas Butter auf Bauernbrot oder man serviert ihn mit Essig, Öl und frischen Zwiebeln mariniert, dazu passt ebenfalls ein kräftiges Bauernbrot.
Als regionale Spezialitäten gelten weiters Graukas-Suppe, Brennsuppe mit Graukas, Graukas-Nocken, Tiroler Kaspressknödeln, Zillertaler Krapfen, Graukäseknödel.

Schutz:

Die Beschreibung der Spezifikation für die Registrierung als g.U. liegt im Österreichischen Patentamt auf (Nationales Aktenzeichen: HA 6/2007, ursprüngliche Zahl 1190-GR/95)

Schlüsselworte

Lebensmittel und Landwirtschaft, Traditionelles Wissen, Österreich, Tirol, Region, Käse, Graukäse, Sauermilchkäse, Tiroler Graukäse

Bibliographie/ Referenzen

Letzter Zugriff aller Internetreferenzen erfolgte am 01.04.2022.

Sprachcode

Deutsch

Regionaler Ansprechpartner

Verband der Tiroler Käserei- und Molkereifachleute
Brixner Straße 1
6020 Innsbruck

Autoren

Mag.a Eva Sommer, Dr. Erhard Höbaus überarbeitet Serviceverein für geschützte Herkunftsbezeichnungen für Lebensmittel SVGH

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