Pinzgauer Ziege

Pinzgauer Ziegen am Berg
Foto: Josef Wesenauer

Die hoch gefährdete Rasse Pinzgauer Ziege gilt als seltene Nutztierrasse.

Registernummer: 193

Offenlegungsdatum

Seit zumindest 1600 werden Ziegen im Pinzgau (Salzburg) gehalten.
Im 19. Jahrhundert etablierte sich die autochthone Gebirgsrasse Pinzgauer Ziege in der Region Pinzgau und Umgebung.

Titel

Pinzgauer Ziege

Kurzdarstellung oder Behauptung

Die hoch gefährdete Rasse Pinzgauer Ziege gilt als seltene Nutztierrasse und ist das Ergebnis Traditionellen Wissens über Ziegenzucht und Tierhaltung in Österreich.
Die Hochgebirgsziegenrasse wird für die Gewinnung von Milch und Fleisch und zur Erhaltung der alpinen Kulturlandschaften eingesetzt.

Produktbezeichnung, Produktklasse

Ziege, Frischfleisch

Name der Region

Salzburg, Kärnten, Oberösterreich, Niederösterreich, Tirol, Vorarlberg, Steiermark, Österreich

Suchgebiet

Lebensmittel und Landwirtschaft

Name des Informationsgebers

Johann Gruber, Josef Wesenauer

Name des Antragstellers für den Titel

Keine Angabe

Inhaber des Wissens oder zugehöriger Quellen

Keine Angabe

Empfänger, Inhaber, Bevollmächtigter, Eigentümer eines Titels

Keine Angabe

Beschreibung

Geschichte:

Ziege allgemein:

Die Wildziege (Capra aegagrus) gilt als Stammtier der Hausziege (Capra aegagrus hircus) und wurde bereits 10.000 vor Christus im südwest-asiatischen Raum domestiziert, von wo sie sich circa 8000 vor Christus bis nach Europa verbreitete.

Seit dem Mittelalter (500 bis 1500 nach Christus) sind überall in Mitteleuropa bis zur Nordhälfte der Alpen Hausziegen verbreitet. Zu dieser Zeit genoss die Ziegenhaltung hohes Ansehen und wurde auch von Karl dem Großen (747 bis 814 nach Christus), der angeblich eine Vorliebe für Ziegenkäse gehabt haben soll, gefördert.

Im 14. Jahrhundert war das Ackerland begrenzt und Ziegen wurden oft zum Weiden in den Wald getrieben.

Pinzgauer Ziege:

Im Jahr 1601 ergab eine Zählung im Gerichtsbezirk Zell am See einen Bestand von etwa 1.328 Ziegen.

Um die Jahrhundertwende des 18./19. Jahrhunderts war die Ziegenhaltung in Österreich weit verbreitet. Bis zum Jahr 1857 stieg der Ziegenbestand in der Region Pinzgau auf circa 14.000 Tiere. Zwischen 1880 und 1920 erreichte die Ziegenhaltung ihren Höhepunkt.

Im 19. Jahrhundert etablierte sich die autochthone Gebirgsrasse Pinzgauer Ziege, die in ihrer Wildform von der Bezoarziege abstammt, in der Region Pinzgau und Umgebung. Die Vorfahren der Pinzgauer Ziege waren Landschläge mit rehfarbener, kurzer Behaarung und säbelförmigen Hörnern.

Gebirgsbauern in den Gebieten des Pinzgaus, Pongaus, Lungaus (alle Salzburg) und Osttirols haben Ziegen wegen ihrer guten Anpassungsfähigkeit zur Milcherzeugung gehalten. Die Milch wurde mit entrahmter Kuhmilch vermischt zum Pinzgauer Almkäse verarbeitet.

1941 bis 1944, in der Zeit des Nationalsozialismus, wurden mit Ausnahme der Pinzgauer Ziegenrasse alle Rassen durch eine aufgezwungene Verdrängungskreuzung in ihrem Bestand dezimiert.

Importe von ausländischen Rassen sowie der allgemeine Rückgang der Ziegenzucht hatten zur Folge, dass der Bestand an Pinzgauer Ziegen zwischen 1960 und 1980 stark zurückging. Trotz ihrer vielen positiven Eigenschaften konnte die Mehrnutzungsrasse (Milch, Fleisch und Landschaftspflege) mit den Hochleistungsrassen, die entweder auf Milch- oder Fleischgewinnung spezialisiert waren, nicht mithalten.

Ende der 1970er Jahre machte sich Professor Ambros Aichhorn auf die Suche nach Restbeständen der Pinzgauer Ziege, um diese zu schützen. Diverse Tierparks sowie einige Privatpersonen nahmen daraufhin die Zuchtarbeit wieder auf.

1980 wurde der „Pinzgauer Ziegenzuchtverein“ gegründet, mit dem Ziel den Ziegenbestand in der Region wieder zu erhöhen.

Seit 1993 werden Pinzgauer Ziegen auch auf der Wiener Mülldeponie am Rautenweg gehalten. Damals suchte die Stadt Wien eine Möglichkeit zu demonstrieren, dass entgegen aller Annahmen von der Deponie keinerlei Umwelt- beziehungsweise Gesundheitsgefährdung ausgeht.

1996 gründete die Landwirtschaftskammer Salzburg den „Salzburger Zuchtverband für Schafe und Ziegen“ durch den erstmals die Möglichkeit einer landesweiten Herdebuchzucht gegeben war.

Die besondere Eignung für die Landschaftspflege machte die Rasse auch wieder in der Steiermark, Tirol, Oberösterreich und Niederösterreich populär.

Laut ÖPUL 2007 wird die Pinzgauer Ziege als „hoch gefährdet“ eingestuft und als „Seltene Nutztierrasse“ gefördert.

Gebiet/Region:

Das Hauptverbreitungsgebiet der Pinzgauer Ziege erstreckt sich über die Region Pinzgau im Salzburger Land. Darüber hinaus wird die Rasse in Kärnten, Oberösterreich, Niederösterreich, Tirol, Vorarlberg und der Steiermark gezüchtet. Sogar die Wiener Mülldeponie beheimatet einige Tiere der Rasse.

Außerhalb Österreichs ist die Pinzgauer Ziege in Deutschland, Südtirol und der Schweiz zu finden.

Pinzgauer Ziege

Die Pinzgauer Ziege (Synonym: Salzburger Ziege, Salzburger Alpenziege) ist eine autochthone Hochgebirgsziegenrasse aus dem Pinzgau und Umgebung. Es handelt sich um eine milchbetonte Extensivrasse, die neben der Milchproduktion auch für die Fleischproduktion sowie in der Landschaftspflege eingesetzt wird.

Lange Zeit wurde angenommen die Pinzgauer Ziege sei eine nähere Verwandte der Tauernschecke. Forschungsergebnisse (R. Baumung 2004) widerlegen jedoch diese Behauptung.

Obwohl sich die Rassen Pinzgauer Ziege und gemsfarbige Gebirgsziege äußerlich ähneln, konnte bisher keine nähere Verwandtschaft zwischen den beiden Rassen nachgewiesen werden.

Rassenbeschreibung:

Die Pinzgauer Ziege ist eine großrahmige Ziege mit kräftigem Fundament. Die Tiere sind immer behornt. Die Hornform kann säbel- oder sichelförmig sein. Die Hörner sind nach hinten gerichtet mit einem scharfen Grat an der Vorderseite und kaum nach außen geschwungen. Das Horn der Böcke erreicht eine Länge bis zu 120 Zentimeter, das Horn weiblicher Tiere ist schmäler und kürzer.

Das Haarkleid ist mittellang. Die Grundfarbe ist braun mit einem schwarzen Aalstrich über den Rücken. Der Kopf ist mit schwarzer Maske, nur in der Jugend teilweise mit braunen Abzeichen gekennzeichnet. Böcke haben eine schwarze Brust, während diese bei Jungtieren und weiblichen Tieren schwarz/braun gestrichelt ist. Die Beine sind ebenfalls schwarz. Wie bei den Wildformen ist das Haar dreifärbig: an der Haarspitze schwarz, in der Mitte braun und am Haaransatz grau.

Abhängig von der Jahreszeit variieren sowohl Farbe als auch Dichte der Unterwolle. Im Frühling verlieren die Tiere ihre graue Unterwolle („fliegende Unterwolle“), derer sie sich an verschiedenen Kratzstellen entledigen. Im Sommer ist die Färbung rot und im Herbst rotbraun, als ursprüngliche Anpassung an die Umgebung der Almregion. Durch diese rotschwarze „Tarnfärbung“ sind die Tiere im Almgelände nur sehr schwer auszumachen, weshalb neben den „wildfärbigen“ Pinzgauer Ziegen oft auch helle Ziegen gehalten werden.

Böcke erreichen eine Widerristhöhe von 75 bis 90 Zentimeter, Ziegen von 70 bis 80 Zentimeter. Ziegen haben ein Gewicht von 60 bis 80 Kilogramm Böcke wiegen 70 bis 90 Kilogramm. Ältere Böcke haben oft einen langen Bart.

Pinzgauer Ziegen haben ein gut melkbares Euter und weisen für eine Gebirgsziegenrasse eine sehr gute Milchleistung auf. Die Jahresmilchmenge liegt bei guter Fütterung zwischen 570 bis 860 Kilogramm und bei entsprechender Fütterung auch darüber. Die Laktationsdauer beträgt 240 Tage, davon 110 Tage für die Versorgung der Kitze. Die Milch der restlichen 130 Laktationstage dient der Käseherstellung.

Eigenschaften:

Die Rasse wird als besonders robust, wetterhart, anpassungs- und widerstandsfähig beschrieben. Zudem ist sie bei der Alpung extrem standorttreu. Die Ziegen sind sehr almtüchtig und suchen Almweideplätze bis 2.500 Meter Höhe auf.

Die Pinzgauer Ziege weist im Gegensatz zu den anderen Gebirgsziegenrassen noch einige ursprüngliche Verhaltensweisen auf. Dazu gehören Freischarren des Liegeplatzes, Scheuerplätze für die Hautpflege, Verstecken der neugeborenen Kitze für etwa drei Wochen, Verzehren der Nachgeburt, Aufsuchen von Felsunterständen bei Wetterverschlechterung, streng geregelte tageszeitliche Wanderungen, strenge Rangordnung und starker Familiensinn.

Die Böcke zeichnen sich durch große Kampflust aus. Aber auch Geißen halten eine strenge Rangordnung ein und können durchaus kampflustig sein.

Die Pingzauer Ziege frisst auch Futterpflanzen, die Rinder und Schafe stehen lassen, wie etwa Gelber Enzian, Zwergwacholder, Rosarote Alpenrosen und Alpenkratzdisteln, weshalb sie gezielt zur Almpflege (Schwenden) eingesetzt wird.

Methode der Produktion:

Haltung:

Dem allgemeinen Trend entsprechend wird die Pinzgauer Ziege verstärkt in der Mutterziegenhaltung eingesetzt.
Aufgrund ihrer Eigenschaften (Robustheit, Widerstandsfähigkeit und Wetterhärte) können die Tiere bis in den Spätherbst hinein gealpt werden, teilweise ist sogar eine ganzjährige Weidehaltung möglich.

Sommer wie Winter begnügt sich die Pinzgauer Ziege mit einem Drei-Seitunterstand. Kälte macht den Tieren nichts aus. Wichtig ist jedoch, dass der Wind abgehalten wird.

Der derzeitige Bestand beträgt 284 Böcke und 965 weibliche Ziegen, 90 Betriebe züchten.

Fütterung:

Die grasende Ziege findet auf den Gebirgsweiden und Almen eine große Auswahl an aromatischen Kräutern und Pflanzen. Sie kommt bei täglichem Weidegang ohne Heu mit Rohfaserreichen Pflanzen und Büschen über den Winter.
Die Tiere werden wiederkäuergerecht zugefüttert. Zu einer optimalen Entwicklung tragen Heu, Gras, Silagen und Kraftfutter positiv bei.

Abkitzen:

Die Pinzgauer Ziege zeichnet sich durch eine gute Fruchtbarkeit aus. Die Rasse gilt als frühreif. Böcke können bereits mit 6 Monaten decken, die weiblichen Tiere können mit 9 Monaten gedeckt werden. Der Brunstzyklus ist saisonal mit ein bis zwei Ablammungen im Jahr. Der Schwerpunkt der Geburten liegt im Frühjahr. Mehrlingsgeburten sind häufig und verlaufen meist problemlos. Das Erstlammalter liegt bei circa 12 Monaten. Die Geißen benötigen meist keinerlei Hilfe bei der Geburt und der Aufzucht der Kitze. 

Transport und Schlachtung:

Die Kitze werden mit einem Alter von circa 3 Monaten und einem Schlachtgewicht von circa 15 bis 20 Kilogramm geschlachtet. Die Schlachtung erfolgt auf EU-Schlachthöfen.

Der Transport von lebenden Tieren muss für diese so schonend wie möglich gestaltet werden. Nur Ziegen, deren körperlicher Zustand es zulässt, dürfen transportiert werden. Außerdem wird versucht, den Transportweg möglichst kurz zu halten, damit Stresssituationen weitgehend vermieden werden.

Nach der Schlachtung werden die Schlachtkörper durch Veterinäre offiziell tierärztlich beschaut.

Ernährungsphysiologische Aspekte:

Ziegenmilch ist in ihrer grundsätzlichen Zusammensetzung der Kuhmilch ähnlich, ohne Ziegengeruch und kaum aufrahmend. Konsumenten berichten sie sei besser verträglich. Sie enthält hochwertiges Eiweiß (Kasein, Albumin, Globulin) sowie leicht verdauliche Fette (kurz- und mittelkettige Fettsäuren) und ist reich an Mineralstoffen (Calcium, Kalium, Phosphor, Natrium, Magnesium, Chlorid) und Vitaminen (A, B1, B2, D und Niacin, Pantothensäure). 

Ziegenfleisch, häufig auch als Kitzfleisch bezeichnet, ohne Ziegengeruch bei Tieren bis zu 1,5 Jahren, ist eiweißreich, fett- und cholesterinarm, daher gut bekömmlich und wird nicht selten aus gesundheitlichen und diätetischen Gründen verzehrt. Es zeichnet sich durch einen hohen Gehalt an Kalium, Magnesium, Eisen, Zink, allen B-Vitaminen und Vitamin A aus. Hervorzuheben ist auch das ausgewogene Fettsäurenverhältnis, der hohe Gehalt an Ölsäure sowie an mehrfach ungesättigten Fettsäuren.

Ursprungsnachweis:

Die Kitze sind, gemäß der Tierkennzeichnungs- und Registrierungsverordnung 2009, durch ein offizielles Zeichen (Ohrmarke) gekennzeichnet.

In der Folge ist die Rückverfolgbarkeit von der Verkaufsstelle zum Aufzuchtbetrieb gewährleistet. Dies bedeutet, dass in jeder Phase der Erzeugung die betreffende Ziege und sein Ursprungsbetrieb genau ermittelt werden können.

Alle Tiere sind herdbuchmäßig erfasst. Die Züchter werden zweimal im Jahr von der zentralen Herdebuchführung nach ihrer Bestandsentwicklung abgefragt.

Qualitätssicherung:

Dreimal jährlich findet eine zentrale Bockkörung (Körung ist Zuchttauglichkeitsprüfung) statt, bei der Rassetyp, die Bemuskelung sowie die äußere Erscheinung nach bestimmten Kriterien beurteilt werden. Eine Beurteilung der Ziegen erfolgt direkt am Hof.
Darüber hinaus erfolgt eine Abstammungskontrolle.

Es erfolgen keine Milchleistungs- und Fleischleistungskontrollen.

Vermarktung:

Kitzfleisch ist zur Hauptzeit im Frühling wird aber auch im Herbst nach dem Almabtrieb ab Hof angeboten.

Die Vermarktung verarbeiteter Produkte wie Käse oder Wurstwaren erfolgt im regionalen Lebensmittelhandel sowie in Feinkostläden.

Zusammenhang mit dem geographischen Gebiet und Traditionellem Wissen

  • Besondere Boden und Klimaverhältnisse in den Regionen ergeben eine vielfältige natürliche alpine Flora, die eine Ziegenhaltung auf Almen ermöglicht.
  • Dank dieser Haltungsweise kann Kitzfleisch mit charakteristischen Merkmalen bezüglich Zusammensetzung erzeugt werden.
  • Die Aufzucht von Pinzgauer Ziegen ist das Ergebnis Traditionellen Wissens, das an die in diesem Bereich Tätigen weitergegeben wurde: Traditionelles Wissen und Erfahrung der Tierhaltung (Anpassung der Haltung der Herden an die Gegebenheiten der Umwelt, Know-how der Landwirte, Art der Ziegenfleischproduktion, Verbesserung des Erbguts) und Know-how der Schlachter (Tiertransport, Erfahrung bei Schlachtung, Zerlegung, Fleischreifung).

Verwertung:

Fleisch von der Pinzgauer Ziege (Pinzgauer Kitz) wird sowohl als Rohware als auch in verarbeiteter Form (diverse Wurstwaren) angeboten. Als besondere Delikatesse gilt frisches Kitzfleisch.

Milch der Pinzgauer Ziege dient der Herstellung des Pinzgauer Bierkäses (Schottengirgel), einer regionalen Spezialität aus 15 Prozent Ziegenmilch und 85 Prozent Kuhmilch, sowie der Herstellung von Ziegenkäse.

Die Hörner finden für Krampusmasken Verwendung.

Schutz:

Keine Angabe

Schlüsselworte

Lebensmittel und Landwirtschaft, Traditionelles Wissen, Österreich, Salzburg, Kärnten, Oberösterreich, Niederösterreich, Tirol, Vorarlberg, Steiermark, Ziege, Kitz, Kitzfleisch, Pinzgauer Ziege

Bibliographie/ Referenzen

Letzter Zugriff aller Internetreferenzen erfolgte am 25.09.2023.

Sprachcode

Deutsch

Regionaler Ansprechpartner

Josef Wesenauer
Rosenlehenstraße 11
5324 Faistenau
0699/ 15 02 93 68

rosenlehen@gmx.at

Autorin

Mag.a Doris Reinthaler überarbeitet von Michael Seidl und Josef Wesenauer